700 Kilometer mit der Yamaha Ténéré 700

Ich muss ehrlich mit euch sein. Ich war nicht ganz unvoreingenommen vor dem Test der Ténéré 700. Das erste Motorrad, auf dem ich saß, war eine Ténéré. Das war vor rund 30 Jahren, auf der Yamaha Ténéré 600 meines Vaters. Danach war es lange ruhig, bis mein erstes eigenes Motorrad kam – eine Yamaha XT 600, die Nachfolgerin der Ténéré. So viel zu meinem neutralen Blick auf die Yamaha Ténéré 700.

Umso größer war meine Freude, als ich die Ténéré 700 in Sursee abholen durfte. Das Wetter war gut, und nach einer kurzen Einführung ging es direkt los. Die zusätzliche Information, dass ich sie richtig testen darf, motivierte mich noch mehr. Das freute mich besonders, denn nicht nur das Aussehen schrie förmlich nach Offroad. Beim ersten Stopp an der Tankstelle bemerkte ich bereits das erste Problem. Die Ténéré hat eine Sitzhöhe von 875 Millimetern. Ich bin 1,75 Meter groß und schaffe es gerade noch, mein Bein elegant über den Sattel zu schwingen. Beim Fahren und Anhalten ist das kein Problem – ich kam gut mit den Füßen auf den Boden, was auch dem schmalen Sitz zu verdanken ist.

Dann ging es los. Ich wollte über irgendeinen Pass fahren und steuerte zunächst den Brünig an, um von dort weiterzukommen. Schon am Brünig war angeschrieben, dass der Grimsel und der Sustenpass geschlossen sind. Ich dachte mir, die haben die Schilder bestimmt vergessen, und fuhr trotzdem weiter in Richtung Grimsel. Ich wurde etwas unruhig, als mir immer weniger Motorräder entgegenkamen.Am Eingang zur Aareschlucht hielt ich schließlich an und fragte Frau Google, was sie zum Zustand der gewünschten Alpenpässe meint. Ja, auch sie bestätigte mir, dass diese tatsächlich geschlossen sind. Nach einer kurzen Recherche mit Google Maps entschied ich mich, in Richtung Schallenberg zu fahren.

Ich fuhr ohne Navi, und das genoss ich sehr. Ich nahm die Straße auf der rechten Seite der beiden Seen – eine wunderschöne Strecke, die man in der Hochsaison jedoch besser meidet. Doch während meiner Testfahrt mit der Ténéré 700 war die Straße frei. Der Himmel war blau, die schneebedeckten Berge leuchteten – einfach herrlich. In Thun bog ich dann rechts ab in Richtung Schallenberg. Wenn man sich ein oder zwei Dorfnamen merken kann, braucht man kein Navi und hat umso mehr Zeit, die Fahrt und die Umgebung zu genießen. Je näher ich dem Schallenberg kam, desto mehr Motorräder waren unterwegs. Beim Restaurant Gabelspitz auf dem Schallenberg dann die Auflösung: ein Motorradtreff. Ich habe mich riesig gefreut. Mit einem feinen Fleischspieß bewaffnet mischte ich mich unter die Gleichgesinnten und schaute mir die Motorräder an. Nach diesem erholsamen Zwischenstopp ging es dann durch das Entlebuch nach Hause.

Ich fühlte mich den ganzen Tag wohl auf der Ténéré 700. Dass der Quickshifter nur in eine Richtung funktioniert – nämlich nach oben – störte mich nicht. Der schmale Sitz ermöglicht eine durchgehende Kontrolle über das Motorrad, auch bei sportlicher Fahrweise. Wie schon oft gesagt: Der CP2-Motor der 700er-Modelle von Yamaha ist optimal für den Schweizer Verkehr. Man hat genügend Leistung, um Spaß zu haben, ohne dabei gleich im Gefängnis zu landen.

Nach dem ersten Tag und den vielen Storys auf Instagram bekam ich eine Empfehlung für einen weiteren Pass mit hohem Spaßfaktor: den Gurnigel. Der Wetterbericht für den nächsten Tag war zwar nicht besonders vielversprechend, aber wie bei den Alpenpässen, wusste ich es wieder einmal besser. Für den passenden Reiseenduro-Look montierte ich die neuen Satteltaschen Blizzard 2 von Enduristan und machte mich auf den Weg in Richtung Bern. Unterwegs war noch ein kurzer Besuch bei Freunden geplant. Kurz bevor ich ankam, begann es zu regnen – die Kaffeepause kam also wie gerufen. Anschließend ging es weiter in Richtung Gurnigel. Eine schöne Passstraße, von der immer wieder unbefestigte Wege abzweigen – meist jedoch mit Fahrverbotsschildern versehen. Es regnete erneut, es war kalt, und stellenweise lag noch Schnee. Oben angekommen, war der Regen vorüber, und die Sonne kämpfte sich langsam durch die Wolken. Die Ténéré 700 ließ sich auch bei Regen sehr gut fahren, ohne dass ich mich auch nur einmal unsicher fühlte.

Auf dem Weg nach unten tauchte plötzlich ein unbefestigter Weg auf – ganz ohne Fahrverbot. Wie gerufen, dachte ich mir, und bog ab. Ich stellte den Fahrmodus der Ténéré auf Explore um und genoss die ersten Meter im Dreck. Ich kann euch sagen: Es machte richtig Spaß. Der bereits erwähnte schmale Sitz war auch hier ein echter Vorteil, denn dadurch hat man das Motorrad besonders gut im Griff. Nach etwa 20 Minuten war der Spaß dann vorbei, und ich fuhr wieder auf die Straße – über Biel ging es zurück nach Hause.

Ein tolles Motorrad, mit dem ich am liebsten um die Welt fahren würde. Der CP2-Motor ist sportlich unterwegs – sportlicher als der 800er-Motor von Suzuki und gleichzeitig laufruhiger als der 790er von KTM. Man sitzt bequem und ist hinter dem Windschild, das für einen echten Rallye-Look sorgt, gut vor dem Wind geschützt. Was mir weniger gefällt, ist, dass der Quickshifter nur beim Hochschalten funktioniert.

Und zum Abschluss hier noch die technischen Daten:

Wert
Leistung 54 kW/ 73 Ps
Motor 2 Zylinder Reihemotor mit 689 ccm
Sitzhöhe 875 mm
Verbrauch 4.3 l/ 100 km
Vorderrad 21 Zoll
Hinterrad 18 Zoll
Gewicht fahrfertig 205 kg
Tank 16 l




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